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Berühmte Lagen: Der Charme der Kleinen Kalmit

Berühmte Lagen: Der Charme der Kleinen Kalmit
Copyright Joachim Lutz - Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0

Von den berühmten Weinlagen der Mittelhaardt hat jeder schon gehört. Forster Ungeheuer, der berühmte Pechstein oder Wachenheimer Gerümpel haben Rang und Namen. Doch soll man die Kalmit vernachlässigen, nur weil sie noch keinen Ruf besitzt, der über Deutschland hinausreicht? Niemals!

Woher der Name stammt, weiss keiner so ganz genau, aber es ist herauszufinden, dass der erste Teil des Begriffes auf das lateinische Wort für kahl (calvus) zurückzuführen ist, während sich der zweite Teil vom ebenfalls lateinischen mons (Berg) ableiten könnte. Was natürlich deshalb ein wenig befremdlich wirkt, weil der imposante Hügel bei Landau in der Pfalz, gekrönt von einer Kapelle, im Sommer gar nicht wirklich kahl wirkt und weil auch das mit dem Berg ein bisschen übertrieben ist.

Professionelle Ausrüstung braucht keiner, der eine Klettertour auf die Kalmit machen möchte, die auch als Kleine Kalmit bekannt wurde, um sie von der ein paar Kilometer entfernt gelegenen grossen Kalmit, dem höchstgelegenen Berg des Pfälzerwalds, abzugrenzen.

Unverwechselbares Terroir

Wer etwas darüber wissen will, warum die Kalmit, die kleine, in den vergangenen Jahren immer mehr gute Weine hervorbrachte, muss sich nur mal die Böden anschauen. Spätestens nach eingehender Beratung durch Geologen oder kundige Winzer erfährt man, dass sich bei der Kleinen Kalmit um einen Hügel handelt, der von Jahrmillionen während der Bildung des Oberrheingrabens im erdgeschichtlichen Zeitalter des Tertiärs entstanden ist.

Mergel und Lehm sind zu finden, aber auch Löss, der über die Zeitläufte hinweg durch den Wind abgelagert wurde. Darunter aber befindet sich Muschelkalk, in der hier üblichen Form des Landschneckenkalks. Gibt es in dieser Form nicht überall, schon gar nicht in Verbindung mit der Hangneigung in den übrigen Lagen der Umgebung.

Und das lockte Winzer schon vor Jahrhunderten. Dass die Kalmit trotz des unverwechselbaren Terroirs lange Zeit nur wenigen Kennern ausserhalb der Pfalz geläufig war und selbst innerhalb des Anbaugebietes längst nicht allen, ist aus heutiger Sicht unverständlich.

Neue Anerkennung für grosse Weine

Tatsächlich hatten sich die Verantwortlichen, die vor fast einem halben Jahrhundert das Deutsche Weingesetz schrieben, gegen die Etablierung einer Einzellage Kalmit gestemmt. Deren besondere Charakteristik wurde damals entweder nicht erkannt oder bewusst missachtet. Erst vor wenigen Jahren wurde der Fehler korrigiert, nach umfangreichen Bemühungen der Winzer, die unterstützt wurden von Weinkennern. Fachjournalisten und Enthusiasten.

Der 1996 angelegten Kalmitwingert, von der Vereinigung Wein und Gast ohne kommerzielle Hintergedanken etabliert, war ein wichtiger Schritt; viele junge Winzer der Region trugen in den folgenden Jahren das Ihre zum Erfolg bei. Schliesslich war es soweit: Erstmals seit 1971 wurde die Lagenrolle der Pfalz durch eine neue, geologisch einheitliche Einzellage erweitert. Und möglich war das nur, weil praktisch alle Winzer an einem Strang zogen – was ja in der Branche nicht unbedingt als selbstverständlich gilt.

Jene aus Ilbesheim und die aus Arzheim, auf derer beider Ortsgebiet die Kleine Kalmit liegt, aber auch Kollegen aus Birkweiler oder Burrweiler. Als sie die Etablierung der Einzellage Kalmit feierten, am 1. Juli 2010, lagen viele Jahre Überzeugungsarbeit hinter ihnen. Kalmit-Weine gab es zwar schon früher, vereinzelt tauchen sogar noch alte Flaschen auf, doch die offizielle Würdigung begann erst jetzt und führte zu einem weiteren Schub.

Sven Leiner aus Ilbesheim bewirtschaftet seine Weinberge biodynamisch, hat sich einen Namen gemacht für die Weissburgunder aus der Kalmit, gehört heute zu den besten Winzern südlich von Neustadt. Boris Kranz, auch einer der jungen Generation, hat es sogar in den Verband der Prädikatsweingüter geschafft, ins Elitegremium des deutschen Weines. Das Weingut Gies-Düppel ist nicht zu unterschätzen, auch bei Pfirmann wird längst Überdurchschnittliches geleistet.

Fast scheint es, als habe die Kalmit einer ganzen Generation von Winzern der Südpfalz zu neuem Schwung verholfen. Und was die Weine der Kalmit angeht: Schmelz und mineralische Struktur verbinden sie auf eine geniale Weise – vor allem, wenn sie aus Weissburgunder gekeltert sind, aber auch im Hinblick auf Riesling. Und man soll nicht glauben, dass sie alle austauschbar schmecken, nur, weil ihnen der Muschelkalk gemein ist!

Weine aus der Kalmit

2013 Ilbesheimer Weissburgunder vom Landschneckenkalk, Weingut Leiner. Vielschichtige, ganz leicht von der Spontangärung geprägte Nase, im Mund saftig, kalkig, ganz leicht cremig, nachhaltig, wunderbar balanciert. 89/100

2016 Ilbesheimer Kalmit No. 3 Riesling trocken, Weingut Sankt Annaberg. Kühle Frucht, Steinobst. Fester, würziger Riesling, recht kompakt mit deutlichem Alkohol. Struktur und Nachhall, wirkt angenehm trocken. 87/100

2015 Ilbesheimer Kalmit Weissburgunder Grosses Gewächs, Weingut Kranz.  Sehr feine, klare sortentypische Frucht, duftig, etwas Kräuter. Straffer, saftiger Wein, gut balanciert, ganz leicht cremig, lang. 92/100

2015 Ilbesheimer Kalmit Riesling Spätlese trocken, Weingut Pfirmann. Feine, elegante Frucht, der deutliche Alkohol ist gut eingebunden, viel Schmelz, lang und strukturiert. 88/100

2016 Riesling trocken Kalkstein, Weingut Gies-Düppel. Jugendliche, fast offensive Frucht, typisch für 2016. Saftig, pikante Säure, gute Struktur. 88/100

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Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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