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Platin-Lorbeeren für das Waadtland am Genfer See

Platin-Lorbeeren für das Waadtland am Genfer See
Copyright terravin.ch

Gutedel gehört nicht zu den berühmtesten Sorten der Weinwelt. Doch in einigen herausragenden Lagen am Genfer See produzieren Winzer erstaunlich alterungsfähige Spezialitäten aus der unterschätzten Chasselas-Traube. Die besten Waadtländer Weissweine sollte man nach der Abfüllung erst mal ein paar Jahre weglegen: Calamin, Dézaley und Féchy werden, wenn alles zusammenpasst, erst nach ein paar Jahrzehnten interessant.

Ausgesiebt wird schon im Laufe des Jahres. Die besten Waadtländer Chasselas kamen auf den Prüfstand, wurden im Erfolgsfalle mit einer schicken Goldmedaille geschmückt. Doch dann ging es erst richtig los. Ein ganzer Saal voller Journalisten, Winzer und Sommeliers, dann die Verkostung der 16 besten Goldmedaillengewinner.

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Gesucht wurde nach dem einen Winzer, der am Schluss die Platinmedaille einheimsen kann. Also erst Vor-, dann Zwischenrunde, Halbfinale und Finale. Der am Schluss vierfach verkostete Wein war offiziell der beste Waadtländer Chasselas des neuen Jahrgangs – auch wenn sich am Wettbewerb Terravin nicht sämtliche Spitzenerzeuger des Schweizer Kantons beteiligen. In der Waadt geht es mitunter streng politisch zu und her.

Terroir und Säureabbau

Doch wie bewertet man jugendliche Chasselas aus dem Kanton Vaud? Die zumeist ähnlich ausgebaut werden, also mittels Vinifikation im Tank oder in grossen, keinerlei Geschmacksnoten abgebenden Eichenfässer? „Man könnte auch würfeln“, knurrte einer der Teilnehmer der Jury. Tatsächlich gibt es nichts Schwierigeres, als blutjunge Weine jener Rebsorte zu verkosten, welche nur ein sehr eingeschränktes Aromen- und Geschmacksprofil aufweisen. Zumal die Vorstellungen, was ein guter Chasselas, ein herausragender Waadtländer ist, auseinandergehen.

Die einen suchen Frische, Frucht plus Präzision und zucken zusammen, wenn ein Wein jene an Butter, bisweilen Luftballons erinnernden Noten zeigt, die von der Umwandlung der Äpfel- in Milchsäure herrühren.

Andere lieben gerade jene althergebrachte Fülle, die ein Chasselas zeigen kann und die oft von einer Spur Kohlensäure und ansatzweise nussigen Noten komplettiert wird. Der Terravin-Platine-Sieger aus 2010 kam dieses Jahr zwar nur auf den zweiten Platz, konnte allerdings auch den dritten einheimsen und ist eigentlich in jedem Jahr für Weine der ersten Kategorie gut.

Prämiert mit den Platin-Lorbeeren
Prämiert mit den Platin-Lorbeeren

Simon Vogel, Chef der Domaine Croix Duplex, in Grandvaux, weiss genau, dass die Chasselas der Waadt ausgezeichnet reifen können – wenn sie von alten Rebanlagen kommen und auf den besten Böden wachsen. Steile, eindrucksvolle Terrassenlagen, oft hohe Pflanzdichten von mehr als 9000, bisweilen sogar sogar 12.000 Reben pro Hektar.

Dass die Erträge oft gar nicht extrem niedrig liegen, geben die Winzer auf Nachfrage gern zu: Gutedel neigt halt zu üppigen Ansätzen, wenn man ihn lässt. Doch wer ihn allzu sehr lässt, bekommt kaum jene Kraft, welche einen Spitzen-Chasselas von einem einfachen unterscheidet.

Der Ausbau auf der Feinhefe trägt übrigens zum Charakter der Weine viel bei: Es entstehen Chasselas, die Anklänge an Äpfel und Aprikosen zeigen, eine leicht hefig-cremige Note, im Nachhall unerwartete Frische.

Und was die Säure angeht: Nach wie vor bauen viele Winzer ihre Weine mit Biologischem Säureabbau aus, lassen die Äpfelsäure in Milchsäure fermentieren.

Andere wollen die ohnehin nur spärlich vorhandene Säure des Chasselas bewahren, denken auch nicht daran, die Moste mit Zucker anzureichern, wie dies traditionell üblich war. Raymond Paccot von der Domaine la Colombe in Féchy hat den frischen, feinen, modernen Stil perfektioniert, bei Blaise Duboux geht es etwas traditioneller zu, ohne dass man mangelndes Niveau konstatieren müsste.

Und da und dort wird auch noch weiter experimentiert, etwa mit dem Ausbau in Amphoren: Die Firma Hammel hauchte einem Chasselas auf diese Weise erstaunliche Würze ein.

Suche nach dem reifen Wein

Weil weder Säure noch Alkohol in auffallendem Masse vorhanden sind, unterstellen viele Verbraucher übrigens ein eher bescheidenes Alterungspotenzial. Reife Chasselas sind schon aus diesem Grunde kaum je im Handel zu bekommen und auch bei vielen Weingütern längst ausverkauft.

Selbst die Waadtländer präsentieren am liebsten ihren neuesten Abfüllungen, kramen wirklich gereiften Dézaley, Féchy, Epesses oder Calamin nur ausnahmsweise hervor. Zum Glück gibt es ihn trotzdem – sofern man ein bisschen sucht.

Bei den Frères Dubois kann man den jetzt wunderbar zu trinkenden 20 Jahre alten Dézaley noch für deutlich unter 100 Franken kaufen, sogar Jahrgänge bis Anfang der 1970er sind zu haben, auch bei Etienne und Louis Fonjallaz darf man nach reifen, kräuterwürzigen, manchmal entfernt an Fino Sherry erinnernde Spezialitäten fragen.

Wie gut die besten Chasselas der Waadt reifen, hat auch das Mémoire des Vins Suisses erkannt, jene Vereinigung der besten und erinnerungswürdigsten Schweizer Weine und Winzer. Gleich mehrere Spitzenweine wurden für Erinnerungszwecke eingelagert, stehen für Präsentationen zur Verfügung. Wenn jetzt noch die Verbraucher innerhalb der Schweiz und ausserhalb des Landes begreifen würden, wie gelungen sich die besten Chasselas im Alter präsentieren, wäre vieles gewonnen.

Der Gewinner des diesjährigen Terravin-Platine-Wettbewerbs stand jedenfalls kaum zufällig auf dem Treppchen, vom Würfeln konnte man nicht sprechen. Mindestens ein Drittel der Verkoster zog allerdings den Zweitplatzierten vor, weil er schlanker, frischer, finessenreicher wirkte. Welcher Wein sich im Jahre 2030 spannender präsentieren wird, bleibt abzuwarten, aber dass niemand beim Genuss Eile an den Tag legen muss, steht fest.

Weitere Informationen

Terravin

Sieben empfehlenswerte Erzeuger der Waadt

Domaine du Croix Duplex
Château Maison Blanche
Domaine la Colombe
Les Frères Dubois
Blaise Duboux
Etienne et Louis Fonjallaz
Hammel

Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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