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Wo geht die Spitzengastronomie hin? Stefan Glantschnig im Gespräch

Wo geht die Spitzengastronomie hin? Stefan Glantschnig im Gespräch
Copyright Waldhof

Vier Köche nehmen sie mit uns auf den Prüfstand: die Gourmet Cuisine. Was ist gut? Was nicht? Und wo geht es hin? In dieser Folge sprechen wir mit Stefan Glantschnig, dem „Jungen Wilden 2017“. Einer, der mit seinen 27 Jahren noch am Anfang seiner Karriere steht – und doch mitten drin ist.

„Das ist hammergeil. Endlich habe ich es geschafft. Ich kann es noch gar nicht realisieren.“ Das waren seine ersten Worte nach dem Sieg am Süllberg in Hamburg. In seinem dritten Anlauf erreichte der gebürtige Kärntner sein Ziel und erfüllte sich seinen grossen Traum: Er setzte sich gegen 2.471 Köche durch und holte den begehrten Titel „Junger Wilder 2017“. Auf der grossen Bühne stehen, das war für diesen Abend ein Erlebnis. Doch wohler fühlt sich der geerdete Chefkoch Stefan Glantschnig hinterm Herd.

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Mit Leidenschaft und Präzision für die gute Küche
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Dieser steht im Waldhof Resort in Scheffau am Wilden Kaiser. Nach dem er sich in der Spitzengastronomie schon während seiner Lehrzeit ausgetobt hat, setzt er aktuell auf Bodenständigkeit, die durchaus ambitioniert, kreativ und zukunftsorientiert ist. Denn da Kochen sein Hobby ist, wie er selbst sagt, setzt er alles daran, auch in den kommenden Jahrzehnten, sich einen Namen in der Branche zu machen. Doch was muss die Spitzengastronomie wiederum machen, damit sich ein so aufstrebender „Stern“ darin wohlfühlt?

Die Welt der Kulinarik hat verschiedene Ebenen und Schwierigkeitsgrade. Warum war es Ihnen so wichtig, auf dem höchsten Niveau zu agieren?

Naja, ich habe zwar in der Spitzengastronomie bei Heinz Hanner gelernt und ein paar grossartige Stationen in Frankreich, Deutschland und Österreich (Stefan Glantschnig arbeitete u.a. bei den 3-Sterneköchen Harald Wohlfahrt/Schwarzwaldstube, Sven Elversfeld/Aqua und Klaus Erfort/Saarbrücken) erlebt.  Zurzeit arbeite ich aber in der „normalen“ Gastronomie in Tirol am Wilden Kaiser.

Wir sind ein ganz normales Drei-Sterne-Hotel mit Après-Ski-Alm. Im Winter „knallen“ wir mittags bis zu 1.000 Essen raus (Käsespätzle, etc.). Aber im Sommer fühle ich mich verpflichtet, den einheimischen Gästen eine kleine Einführung in eine „andere“ Art der Küche zu geben. Grob gesagt: Versuche, das Gelernte weiterzugeben. Leider ist das nur im Sommer möglich, da der Winter die Cash Cow ist. (Er lacht.)

Was braucht man, um an der Spitze der Kulinarik ankommen zu können?

Richtig ankommen kann man, meiner Meinung nach, gar nicht – bzw. sollte man nicht. Schliesslich geht es doch darum, jeden Tag sein Bestes zu geben – so als sei es der letzte. Ich persönlich lerne jeden Tag dazu, versuche mich jeden Tag weiterzuentwickeln. Ich will nicht stehenbleiben. Das ist nicht immer einfach, aber aufgeben zählt nicht zu meinen Stärken.

Und was, um in ihr lange Zeit bestehen zu können?

Lange zu bestehen – das ist ein guter Ausdruck! Es wird in der heutigen Zeit immer schwerer, lange Bestand zu haben. Viele junge Köche machen einen Laden auf, und zwei Jahre später wieder zu. Meiner Ansicht nach muss man Selbstständigkeit genau so lernen, wie den Beruf Koch an sich. Vor allem ganz oben mitzuspielen ist beinhart, da der Aufwand in der oberen Klasse der Gastronomie enorm und mit Riesenkosten verbunden ist. Doch es gibt ja auch einige Paradebeispiele, die schon Jahrzehnte an der Spitze sind und auch mal klein angefangen haben. Das macht Mut!

Welchen Stellenwert schreiben Sie Talent zu?

Talent ist sicher ein erster Schritt, der es einem ermöglicht, die Dinge schnell zu verstehen oder handwerklich geschickt zu sein. Kreatives Verständnis in einem Mittelmass hilft enorm. Aber Talent alleine reicht nicht aus, um ein guter Koch zu werden.

Wenn Sie in die Zukunft der Spitzengastronomie blicken – wo geht es hin?

Spitzengastronomie ist sicher ein schwieriger Weg geworden – genauso wie Gastronomie an sich. Man muss einfach jeden Tag am Ball bleiben, denn es wird immer schwieriger. Viele Gäste glauben, sie seien selbst die grössten Gastro-Kritiker und könnten ausgezeichnete Arbeit in Frage stellen. Und dann machen sie dies auch noch anonym im Internet. Das ist, mit Verlaub, Bullshit! Wir Köche arbeiten jeden Tag 10 – 18 Stunden – und das in jeder Art der Gastronomie. Dabei versuchen wir alles, um unseren Gästen ein Erlebnis zu bescheren, das ihnen im positiven Sinn unvergesslich bleibt.

Welche Trends zeichnen sich ab?

Trend!? Naja, ist die Nordic Cuisine beispielsweise ein Trend, weil sich Köche aus einer bestimmten Region daran gemacht haben, etwas jahrelang zu entwickeln und weiterzugeben? Ich finde es gut, in andere Küchen einzutauchen und zu erleben, welche Visionen Kollegen haben. Es ist nur schwierig, manches dann bei sich selbst umsetzen zu wollen, weil man gar nicht auf die gleichen Produkte zurückgreifen kann. Ich denke, jeder Koch muss für sich selbst entscheiden, welchen Weg er verfolgt – Regionalität oder eben nicht. Die Wahrheit liegt dann auf dem Teller.

Was halten Sie überhaupt von Trends?

Glaube die Frage hat sich oben beantwortet.

Welchen Trend würden Sie gerne setzen?

Gar keinen! Ich würde gerne das weitergeben, wofür ich stehe und was ich kann.

Welche Veränderungen müssen vielleicht auch sein?

Ein ganz grosses Thema ist sicherlich der Mangel an Fachkräften – vor allem im „normalen“ Bereich der Gastronomie. Da sollten wir schleunigst etwas ändern.

Welche regionale Spezialität haben Sie für sich entdeckt?

Die Regionen in Österreich sind so vielseitig, dass es schwierig wäre, nur ein Produkt hervorzuheben. Aber ich habe auf meiner Karte ein Mangalica-Schwein, das ich aus Bayern von einem Bauern beziehe, der nicht einmal eine E-Mail-Adresse hat. Die Schweine sind das ganze Jahr im Freien – und die Qualität ist der Wahnsinn!

Ist hundertprozentige Regionalität in der gehobenen Küche überhaupt realistisch und ehrlich umsetzbar?

Ja! Ich glaube schon. Früher ging es ja auch nicht anders. Da wurde doch auch nur das verwendet, was da war und die Saison hergab.

Haben Sie eine Lieblingssaison?

Frühling und Herbst.

Ohne was können Sie in Ihrer Küche nicht arbeiten?

Ohne ein scharfes Messer und Kaffee. Ohne den geht bei mir definitiv nichts.

Was war Ihre schlimmste Küchenpanne?

Ich habe mir einmal 250°C heisses Fett über die Hand gegossen und den Abendservice trotzdem noch fertig gemacht, bevor ich dann wirklich ins Krankenhaus musste.

Wie kann der Nachwuchs heute für einen Küchenausbildung begeistert werden?

Man muss ihnen klar machen, dass dieser Beruf eine Lebenseinstellung ist. Der Weg bis an die Spitze ist sicher nicht der leichteste. Doch die Gastronomie ist mit Abstand das beste Berufsumfeld der Welt. Diese Botschaft müssen wir vermitteln: Egal ob Wochenende frei oder nicht, lange Arbeitszeiten hin oder her – es macht einfach Spass, gemeinsam mit seiner „Küchenfamilie“ Grosses zu erreichen. Ich glaube, junge Leute sollten verstehen, dass das Team, in dem und mit dem sie Arbeiten immer zu 1.000 Prozent hinter ihnen steht, egal was passiert.

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Was halten Sie von Kochwettbewerben?

„Für mich war es eine geile Erfahrung, die mich weiter gebracht hat. Ich würde es jedem empfehlen! Sich mit anderen zu messen, ist genial – ganz egal, ob man am Ende verliert oder gewinnt. Mir war es wichtig „Junger Wilder“ zu werden. Zu diesem verdammten Club dazu zu gehören. Man darf da auch nicht zu schnell aufgeben: Ich bin drei Mal angetreten und dann hat es funktioniert. Es war wirklich ein grosses Ziel von mir!“

Wie wichtig ist es heutzutage für ein Spitzenhotel auch gleichzeitig ein Spitzenrestaurant zu haben?

„Ich denke, es ist wichtig, denn es ist ein Aushängeschild, das sicherlich auch Gäste aus der ganzen Welt anlockt.“

Wie wichtig ist guter Wein im Zusammenspiel mit gutem Essen?

„Er spielt sicher eine enorme Rolle, wobei ich von gemischten Getränke-Begleitungen auch nicht abgeneigt bin.“

Lassen Sie uns auch mal auf den Gast blicken. Was charakterisiert Ihrer Meinung nach einen Geniesser?

„Ein Geniesser muss nicht immer in Sternerestaurants essen gehen. Es gibt genug gute Restaurants, die auf hohem Niveau kochen. Ich glaube, es ist nicht entscheiden, wo man isst, um ein Geniesser zu sein. Genuss kann auch eine Flasche Wein auf einer Bank mit Blick auf die Mosel sein. Es kommt darauf an, wie man den Moment für sich erlebt und feiert.

Wie sollte der Gast der Zukunft sein?

„Aufgeschlossen!“

Welcher Koch, welches Restaurant (gerne weltweit) steht Ihrer Meinung nach für die Gourmet Cuisine der Zukunft? Und warum?

„Heinz Reitbauer vom Steirereck in Wien – ganz klar! Für mich eine Offenbarung. Die Ideen hinter jedem Gericht, der Geschmack und die Produktvielfalt. Er gibt den richtigen Weg vor.“

Nach welchem Motto leben Sie?

„Klagt nicht, kämpf: Qualität kommt von Quälen.“

Nach welchem Motto kochen Sie?

„Die Wahrheit liegt auf dem Teller.“

Weitere Informationen unter: http://waldhof-kulinarik.at/waldhof-alm.html

Über die Autorin

Es gibt sie ganz selten. Doch Anja Hanke hat das grosse Glück zu ihnen zu gehören: Den Menschen, die ihr Hobby zum Beruf machen konnten.

Sie liebt gutes Essen, handgefertigte Weine, erlesene Produkte und diese Verbindung an den verschiedensten Orten dieser Welt einzufangen – und für ihre Leser genussvoll aufzubereiten.

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