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Vinho Verde – Gar nicht so grün hinter den Ohren

Vinho Verde – Gar nicht so grün hinter den Ohren
Copyright Alice Gundlach

Er ist frisch, leicht, moderat im Alkohol – was gibt es Besseres für die Terrasse? Vinho Verde wächst im grünen Norden Portugals, wo es viele experimentierfreudige Winzer gibt.

Sommer auf dem Balkon, am Pool oder beim Picknick – was passt da besser als ein schön leichter, fruchtbetonter, vielleicht etwas prickelnder Weisswein? Bei diesen Stichworten ist man schnell bei Vinho Verde: Kein anderer Wein aus Portugal hat es zu so viel internationaler Beliebtheit gebracht.

Das Erfolgsrezept ist schnell geklärt: Er ist jung und zugänglich, und dazu eher günstig zu haben. Doch die Region im Norden Portugals, aus der der gleichnamige Wein kommt, hat mehr zu bieten: Weine mit Anspruch – die aber trotzdem nicht die Trinkfreude vermissen lassen.

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„Das wichtigste für den Wein sind die Menschen – schlechte Menschen können keinen guten Wein machen“, erklärt Vitor Mendes. Der Vertriebsleiter der Quinta de Covela will an diesem Mittag im Restaurant Ferrugem in Portela vor allem eines unter Beweis stellen: Dass die Weine aus der Region nicht nur jung und unkompliziert sind, sondern auch zu echten Persönlichkeiten heranreifen können. Als Flaggschiff-Wein seines Weingutes stellt er den Escolha vor.

Ausgerechnet der ist aber kein Vinho Verde, sondern ein Vinho Regional Minho, denn er ist eine Assemblage von Avesso und Chardonnay, und letzterer ist keine zugelassene Rebsorte für Vinho Verde DOC. Er kommt vom Jahrgang 2013 auf den Tisch und ist mit natürlichen Hefen vergärt, was ihm zu seiner Mineralität auch einen schönen Schmelz verleiht.

Aber auch einen „echten“ Vinho Verde vom 2013er Jahrgang hat er dabei: den Edição Nacional Avesso – aprikosenfruchtig, mit leichter Säure und einem zarten Reifeton, der ihm wirklich gut steht. „Es gibt zwei Rebsorten in der Region, die reifen können: Avesso und Alvarinho“, erklärt Vitor Mendes.

Sonderfall Alvarinho

Vinho Verde ist ein blumiger und fruchtiger Wein
Vinho Verde ist ein blumiger und fruchtiger Wein

Vinho Verdes sind zumeist Cuvées aus zwei oder mehr Rebsorten, die sich ergänzen. Neben den beiden genannten sind es auch solche mit sehr aromatischem oder blumigen Charakter bei moderater Säure, wie Loureiro, Arinto und Trajadura. Der Alvarinho hat eine Sonderstellung: Er ist die bekannteste der Rebsorten, weil er auch in Spanien oft angebaut wird. Der Charakter und die Güte werden gerne mit Riesling verglichen.

Sie ist aber auch die einzige Rebsorte, die nicht reinsortig als „Vinho Verde“ verkauft werden darf – ausser, er stammt aus den Unterregionen Monção und Melgaço. Allerdings ist die Weinkommission CVRVV gerade dabei, diese Regel zu ändern und Alvarinho pur als Vinho Verde aus dem ganzen Gebiet zuzulassen.

Denn es ist für die Winzer auch so schon schwer genug, den Weintrinkern ihren Wein darzustellen. „Die Konsumenten denken, dass Vinho Verde ein Weinstil ist, und keine Region – sogar in Portugal selbst“, weiss João Cabral Almeida.

„Wir haben also noch einiges an Arbeit vor uns bei der Kommunikation.“ Er ist der Winemaker der Quinta da Calçada in Amarante, die 1917 gegründet wurde und damit als Pionier der Region gilt. Ein Aushängeschild des Weingutes ist der Vinho Verde Loureiro Alvarinho, der mit Mineralik, heller Pfirsichfrucht und Spannung am Gaumen ein echter Cool-Climate-Wein im besten Sinne ist.

Pioniere auf ganzer Linie

Bio-Weine wurden teilweise in Zement-Eiern ausgebaut
Bio-Weine wurden teilweise in Zement-Eiern ausgebaut

Dass der Alvarinho in Monção und Melgaço zur Ausnahme avanciert ist, ist zu einem Gutteil der Quinta de Soalheiro zu verdanken. Ihr Gründer João Cerdeira pflanzte die Rebsorte dort 1974 erstmals an, „und wurde von den Leuten hier deshalb für verrückt erklärt“, berichtet Lúcia Barbosa, die heutige Geschäftsführerin.

Bis dahin waren in der Region hauptsächlich Kartoffeln und Mais angebaut worden. Doch er war sich sicher: das ist der richtige Ort für Alvarinho – rundherum Berge, die Wind abhalten, dazu warme Tage und kalte Nächte, die den Trauben helfen, eine gute Säure und den richtigen Zuckergehalt auszuprägen. Auch hier schätzt man die Alterungsfähigkeit der Rebsorte: „Wir garantieren, dass unsere Alvarinhos mindestens fünf Jahre lagern können. Gerade habe ich einen 1991er verkostet, auch der war noch toll“, berichtet Lúcia Barbosa.

Mittlerweile bewirtschaften Cerdeiras Kinder Maria João und Luís das Weingut. Sie stellen es gerade auf Bio-Anbau um. Das ist in dieser kühlen, regnerischen Region ambitioniert. Aber Experimente, das wird schnell klar, sind hier an der Tagesordnung. Die ersten Bio-Weine werden hier zum Teil in Zement-Eiern gereift.

„Damit wird die Frucht des Alvarinho besonders gut hervorgebracht“, erklärt Lúcia Barbosa. Der erste Bio-Wein ist auch schon herausgekommen: der Terramatter Alvarinho. Ein leiser, dezenter, pfirsichfruchtiger Terroir-Wein, unfiltriert. Und das nächste Projekt bei Soalheiro ist auch schon in der Mache: Ein Sekt, der nicht degorgiert wird, also das Hefelager, auf dem er reift, immer in der Flasche behält.

Loureiro, der Lokalmatador

Der Park der Quinta de Curvos
Der Park der Quinta de Curvos

Doch es ist bei Weitem nicht so, dass der Alvarinho in der Vinho-Verde-Region über alles geht: Die meistangebaute Sorte ist Loureiro. „Ich finde Loureiro viel spannender, weil er etwas Einzigartiges aus der Region ist. Ausserdem ist er besonders vielseitig, er passt zu jeder Gelegenheit“, schwärmt etwa Miguel Fonseca.

Er hat von seinem Vater und seinem Onkel die Quinta de Curvos in Forjães übernommen, die zu besuchen ein echtes Erlebnis ist. Neben Weinbergen findet sich auf dem Anwesen ein Park, der wie verwunschen wirkt: Einheimische und tropische Pflanzen bilden hier einen wahren Urwald, mit kleinen Türmen, Pavillons und Grotten darin. Angelegt wurde er vom Vorbesitzer, einem Rückkehrer aus Brasilien.

In den Weinen der Quinta de Curvos fällt oft ein exotenfruchtiger Charakter auf, der sie sehr zugänglich macht. On Top: Die Colheita Selecionada Avesso Loureiro mit Anklängen an Honigmelone, grünen Apfel und Kräuter. Zum Thema Reife erklärt Fonseca: „Ich lege immer einige Flaschen eines Jahrgangs zurück, um zu sehen, wie sie sich entwickeln. Aber natürlich sind die meisten Vinho Verdes nach wie vor am besten in den ersten zwei Jahren.“

Mal schlank, mal cremig – aber immer schöne Frucht

„Ich bin mir sicher, dass Avesso das nächste grosse Ding in der Region wird. Er ist auch meine Lieblingssorte“, konstatiert Bernardo de Lencastre, Inhaber der Casa de Vila Nova. Zu seinem Weingut in Castelões gelangt man über eine Einfahrt, die von hochgewachsenen Reben gesäumt ist, die ein kühlendes Laubdach über den Köpfen bilden.

Diese Art der Pflanzung nennt man hier Enforcado, und zu früheren Zeiten war sie in der Region noch weiter verbreitet. Hier wuchsen verschiedene Rebsorten zusammen und wurden auch zusammen gelesen und verarbeitet – der klassische „Gemischte Satz“. Heute dient diese Pflanzart mehr der Dekoration.

In den Weinbergen von Bernardo de Lencastre aber wird also der Avesso immer wichtiger. Er gerät hier immer sehr saftig und aromatisch, manchmal auch schmelzig, weil er teilweise mit Schalenkontakt ausgebaut wird.

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Zusammen mit dem Önologen António Sousa, der in der Region stark gefragt ist, hat er die Weine Avesso „A“ und Avesso „B“ kreiert, ersterer tropenfruchtig und dabei überraschend schlank, zweiterer aprikosig und cremig durch den Ausbau im Holzfass. Beide Weine sind echte Statements. Sie sagen: Ja, so anspruchsvoll kann Vinho Verde auch sein.

Über die Autorin

Alice Gundlach arbeitet seit 2005 als Journalistin, seit 2011 ist sie freie Autorin mit den Schwerpunkten Wein und Food. Davor schrieb sie schon als angestellte Redakteurin regelmässig über Weinthemen.

Sie ist spezialisiert auf die Weinregionen Deutschlands und Italiens.

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