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Schloss Johannisberg und die Rieslingbibliothek

Schloss Johannisberg und die Rieslingbibliothek
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Als eines der berühmtesten deutschen Weingüter galt Schloss Johannisberg schon vor Jahrhunderten. Heute produziert die Rheingauer Domäne wieder Weine, die zu den besten Rieslingen des Landes gehören. Wer Glück hat, darf sogar in einer Bibliothek stöbern, die zwar keinerlei Folianten enthält, aber dafür zahlreiche Flaschen bis 1748 zurück.

Allein schon der Name. Bibliotheca subterranea. Klingt wie eine geheimnisvolle, mit alten Büchern vollgestopfte Kammer aus dem Film „Der Name der Rose“. Doch dieser wurde, nach Vorlage von Umberto Eco und jedenfalls zum Teil, ums Eck im Kloster Eberbach gedreht, während die mythenumwobene Bibliothek im Rheingauer Weingut Schloss Johannisberg vorzufinden ist.

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Bücher werden hier nicht aufbewahrt, aber viele Flaschen. Vor genau 30 Jahren war ich das erste Mal dort, durfte unter Anleitung des damals verantwortlichen Chefs (der hier traditionell als Domänenrat bezeichnet wurde) immerhin einen 1976er Schloss Johannisberger verkosten und die eine oder andere noch ältere Flasche wenigstens im verschlossenen Zustand bestaunen.

Raritäten hat das Weingut noch viele vorzuweisen: Bis ins 18. Jahrhundert zurück reicht die Sammlung an Rieslingen, 1748 ist der älteste vorhandene Jahrgang. Kaum zu glauben, dass solche Spezialitäten diverse Kriege überstanden haben.

Rieslingbewusstsein

Dem Spätlesereiter verdanken wir der Legende nach die Kelterung überreifer Trauben
Dem Spätlesereiter verdanken wir der Legende nach die Kelterung überreifer Trauben

Kaum zu glauben auch, dass hier wirklich alles aus Riesling besteht. Doch die Besonderheiten der Sorte hat man schon früh erkannt in dem Gut, dessen Weinbaugeschichte sich bis ins frühe Mittelalter zurückverfolgen lässt und das schon von Karl dem Grossen und dem Dichter Heinrich Heine für seine perfekten Weinbaubedingungen gerühmt wurde.

Nachdem die Fürstabtei Fulda das Anwesen 1716 gekauft hatte, wurde bald die Anpflanzung von Riesling angeordnet – ausschliesslich von Riesling, wohlgemerkt. In einer Zeit, als in deutschen Weinbergen gewohnheitsmässig zahlreiche Reben durcheinander wuchsen, eine erstaunliche Entscheidung. Ob man damals auch schon die Vorzüge spät gelesener Trauben bekannt waren, darf hinterfragt werden.

Das Bewusstsein der Güte eingeschrumpfter und von Edelfäule befallener Beeren existierte im deutschsprachigen Raum nachweislich bereits vor dem Jahr 1775, in dem der Spätlesereiter angeblich zu spät im Johannisberger Schloss erschien. Die Lesehelfer durften mangels der aus Fulda herbeigebrachten Genehmigung nicht mit der Ernte beginnen und mussten zusehen, wie die Trauben überreif wurden; was man schliesslich doch noch kelterte, soll gerade deshalb und für alle überraschend besonders gut gewesen sein und die Spätlese etabliert haben.

Ob es exakt so oder doch leicht anders war: Auch seiner edelsüssen Weine wegen wurde Schloss Johannisberg berühmt, egal, ob diese mittels Edelfäule oder durch Kälte möglich wurden. 1858 wurde der erste Eiswein der Gutsgeschichte gekeltert und blieb nicht der einzige. Derartig frostige Raritäten sind, auch bedingt durch den Klimawandel, inzwischen kaum noch möglich, doch an hoch- und höherwertigen Auslesen mangelt es nach wie vor nicht.

Aus dem Jahrgang 2011 konnten besonders grosse Mengen Süssweine geerntet werden: Sogar für einen Ausbau im 1200 Liter fassenden Stückfass reichte es. Während die so gewonnene Trockenbeerenauslese wie gewohnt mit goldener Kapsel verschlossen wurde – das Metall ersetzt heute den früher üblichen Siegellack –, müssen sich die Beerenauslesen mit einer rosa-goldenen Kapsel begnügen. Sind doch einmal Eisweine im Angebot, können diese mit einer blauen Kapsel prunken.

Änderungen mit Augenmass

Seit 1716 wird auf dem historischen Weingut ausschliesslich Riesling angebaut
Seit 1716 wird auf dem historischen Weingut ausschliesslich Riesling angebaut

Verständlich, dass sich auf einem derart historischen Weingut nie allzu schnell Änderungen durchsetzen liessen. Klemens Fürst von Metternich-Winneburg, der das säkularisierte Schloss Anfang des 19. Jahrhunderts übernahm, und seine Nachfolger bewahrten vor allem das Althergebrachte; heute ist die Oetker-Gruppe zuständig für die Geschicke des Weinguts samt angeschlossener Gastronomie.

Christian Witte, der seit 2005 amtierende Chefwinzer, hat in den elf Jahren seiner Amtszeit dagegen mehr Neuerungen durchgesetzt als die meisten seiner Vorgänger. Was nicht heisst, dass hier Entscheidungen übers Knie gebrochen würden: Die Vinifikationspolitik, bei der in der Spitze grosse Fässer wieder eine wichtige Rolle spielen, wirkt durchdacht.

Auch die Erfindung einer neuen Kapselfarbe scheint alles andere als zufällig: Der Silberlack ergänzt als trockener Spitzenwein die süssen Spezialitäten und die normalen trockenen Rieslinge mit gelber und roter Kapsel. Abgeschafft wurde dagegen der durchgegorene Grünlack: Wer heute einen Wein mit dieser Farbe kauft, wird automatisch eine merkbar süsse Spätlese zu sich nehmen.

Geändert hat sich auch, unabhängig von der Qualitätsstufe, die Güte der Weine. In den Achtzigern wirkten sie bisweilen langweilig, setzten selten Massstäbe im Rheingau, zehrten vom einstigen Ruhm. Inzwischen aber ist der Silberlack regelmässig eines der besten Grossen Gewächse im Rheingau, besitzt zudem eigenen Stil: Nicht von jedem einzelnen Riesling der Region kann man das behaupten.

Von 1775 bis 2015

Ob der Jahrgang 2015 so legendär wird wie der 1775er, lässt sich noch nicht sagen, doch die Voraussetzungen sind gut, Weingutsleiter Witte zeigt sich jedenfalls mehr als zufrieden. „In Johannisberg hatten wir mehr Regen als im vorderen Rheingau aber nicht solche Wassermengen wie in Rüdesheim und Assmannshausen am 12. Juni“, erzählt er. „Bei Bilderbuchwetter konnten wir ganz entspannt ernten – Stichwort Goldener Oktober.“

Ziemlich sicher werden also auch aus dem 2015er einige Flaschen Eingang in die unterirdische Bibliothek finden, wo auch noch allerlei Vertreter der 1945er Auslese lagern. Zwar war die Erntemenge damals klein, die Qualität aber hoch und die Nachfrage gering. Niemand konnte sich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg teuren Riesling leisten, die Menschen hatten anderes im Kopf, als Schloss Johannisberger zu schlürfen.

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Also wurde der Wein für bessere Zeiten eingelagert, erst später und nur in kleinen Portionen auf den Markt gebracht. Vor gut und gern 15 Jahren durfte ich, bei meinem zweiten Besuch auf Schloss Johannisberg, aus einer Flasche verkosten und vermochte kaum zu glauben, wie jugendlich die 1945er Rosalack-Auslese schmeckte. Muss wohl auch mit der Geschichte, der besonderen Lage und der langen Süssweintradition des Hauses zu tun haben.

Weitere Informationen unter www.schloss-johannisberg.de

Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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