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Sarah Hulten – In einem Jahr zur Jungwinzerin

Sarah Hulten – In einem Jahr zur Jungwinzerin
Copyright Sascha Ditscher

Es gibt ein einfaches Rezept zum eigenen Weinberg. Man nehme: eine große Portion Mut, eine starke Motorsense, Handschuhe, eine Pinzette, gute Freunde und Enthusiasmus. Viel Enthusiasmus. Und Zeit. Davon braucht es manchmal etwas mehr als gedacht.

Innerhalb eines Jahres kann sehr viel passieren: Ich wurde von der vinophilen Medienstudentin zur Mittelrhein Weinkönigin. Wechselte von der selection-Gastjurorin ins Jury-Stammteam. Gelangte von der Idee des eigenen Weingutes, inspiriert von Chefredakteur und Verkostungsleiter Wolfgang Hubert, zum ersten eigenen Wein.

Seit meinem Umzug auf das Weingut Selt nach Leutesdorf stellt mir der Winzer Peter Selt drei Reihen Riesling zur Verfügung, die ich zu meinem ersten eigenen Wein ausbauen durfte. In kurzer Zeit lernte ich viel von ihm. Im nächsten Schritt suchte ich mir zusätzlich eine alte, brachliegende Weinbergsterrasse aus.

Sie soll mit Hilfe eines Crowdfundings rekultiviert werden. Beim Crowdfunding finanzieren Internet-Nutzer eine Idee mit und erhalten dafür gestaffelt nach ihrem Beitrag eine Belohnung – in diesem Beispiel etwa eine Flasche meines Weines.

Kampf gegen Dornen

Nachdem die Leutesdorfer Winzer und die Kreisverwaltung zustimmten, konnte ich meine Wunschfläche kaufen und ein eigenes Weingut gründen. Ich hatte zwar ursprünglich weniger geplant, besitze nun aber einen halben Hektar Land und einen eingetragenen Weinbaubetrieb.

Wunderbar, wie viele Menschen sich mit mir freuten. Wie das bei Wellen jedoch so ist, brechen diese irgendwann. Bei mir passierte das in dem Moment, als ich erfuhr, dass eine Rodung der Büsche und kleineren Kirschbäume nur bis zum 1. März erlaubt ist. Wir schrieben zu diesem Zeitpunkt die letzte Februarwoche…

Unglücklicherweise traf es ausgerechnet auf Karneval. Zwischen Koblenz und Köln bedeutet dies, dass es nahezu unmöglich ist, alle Freunde um sich zu scharen und eine große Rodungsaktion zu starten.

Ich stand nun also in meinem neuen Weinberg und blickte etwas ratlos auf 1.800 Quadratmeter Dickicht aus bis zu zwei Meter hohen Brombeerhecken und verholzten Rosen. Durch meinen Kopf schoss der Gedanke: „Okay, es ist unmöglich. Aber ich werde es machen. Ganz einfach!“

Es brauchte gute Freunde für ein solches Projekt. Es fanden sich tatsächlich eine Handvoll Mutige, die mit mir den Kampf gegen die Dornen eröffneten. Kurzfristig wurden von den Schwiegereltern und den Opas alle möglichen Heckenscheren geliehen, meine Schwestern rückten an, zwei Freunde kamen hinzu. Sogar die Schwiegereltern packten in ihrem Urlaub mit an.

Während die fleißigen Helfer per Hand die Brombeeren schnitten, hatte ich mir einen Helm mit Visier gekauft und die denkbar stärkste Motorsense geliehen, die sonst die Forstarbeiter der Stadt nutzen.

Nach getaner Arbeit sahen wir zwar aus wie Kakteen – überall bohrten sich Dornen in die Haut. Aber es bereitet Freude, wenn plötzlich der Schieferboden sichtbar wird und Trockenmauern auftauchen, die seit rund 40 Jahren niemand mehr zu Gesicht bekommen hatte.

Nun besteht die Hauptaufgabe darin, das Gerodete zu verbrennen und die Brombeerwurzeln zu ziehen. Ich habe mich dazu entschieden, keine Herbizide einzusetzen, sondern jede einzelne Pflanze per Hand auszugraben. Auch für die Restauration der vielen Trockenmauern bleibt jetzt Zeit, nachdem ich für dieses Jahr nicht mehr die gewünschten Riesling-Klone bekam.

Es ist immer wieder schön zu beobachten, wie unzählige Menschen an sonnigen Wochenenden auf dem Rheinsteig die untere Mauer zu meinem Weinberg emporsteigen um dann erst einmal erstaunt stehenzubleiben und die gerodete Fläche zu mustern. Bewundernd sprechen mich viele an und freuen sich, wenn ich ihnen erzähle, was es mit dem alten Grundstück und meinem Plan auf sich hat.

Vor allem die Kinder strahlen, wenn sie die Geschichte über den wertvollen Lebensraum der Eidechsen hören und dass ich diesen wiederherrichte. Wenn anschließend mein Mann gefragt wird, warum er sich das Helfen freiwillig antue, lächelt er stets, schaut auf seinen Ringfinger und antwortet: „Tja, einmal an der falschen Stelle im Leben ja gesagt …“

Wichtige Entscheidungen

Da ich mittlerweile in Vollzeit arbeite, ist es nicht immer einfach, das Wein-Hobby in den Alltag zu integrieren. Mit guter Planung gelingt es in der Freizeit jedoch super. Aber spätestens nachdem mein Filmteam für das Vorstellungsvideo des Crowdfundings den Dreh auf den Sommer verschieben musste, wurde mir klar, dass ein Gang niedriger auch okay ist.

Dazu benötigen manchmal selbst vermeintlich einfache Dinge mehr Zeit. Wie etwa das Thema Flaschen. Es ging mir darum, eine zu finden, welche die Wertigkeit des Projektes, also des Erhalts der wertvollen Kulturlandschaft in den Steillagen am Mittelrhein ausdrückt. Zudem sollte sie zu mir passen und durfte daher auch gerne ein bisschen anders sein.

Aber selbst Telefonate bis in die Niederlande und nach Österreich brachten mich zu der Erkenntnis, dass es schwarz-glänzende Schlegelflaschen erst ab einer Bestellung von 30.000 Stück gibt. Glücklicherweise brachte mir Peter Selt unerwartet noch die perfekte Flasche mit. Schlank, schwer und nahezu schwarz.
Das Thema Verschluss hingegen war einfacher. Nachdem ich Anfang des Jahres mit jungen Winzerkollegen bei Cecilia Jost eine lehrreiche Verschlussprobe gemacht hatte, war mir klar, dass es ein Naturkorken sein sollte. Bei nur 400 Flaschen durfte jedoch keine Gefahr bestehen, einen Korkschmecker dabei zu haben.

Immerhin soll es den Wein als Gegenwert für das Crowdfunding geben. Ich investierte also in die höchste Qualität und einen TCA-Test. Dies bedeutet, dass jeder einzelne Korken daraufhin geprüft ist, dass er keinen Korkschmecker verursachen kann.

Zukunftsmusik

Beim Füllen Anfang Mai ging dann jede einzelne Flasche durch meine Hände. Es war ein phantastisches Gefühl, meinen ersten eigenen Wein in den Händen zu halten. Zur jüngsten selections-Verkostung habe ich ihn angestellt. Als Tankprobe konnte er zwar noch keine Medaille bekommen, aber mein Plan war es, einmal objektive Meinungen zu hören.

Ich darf verraten, dass er von einigen Juroren sogar mit Gold bewertet wurde. Mal sehen, wie er sich nun weiterentwickelt. Nun wird es aber erst einmal darum gehen, das Crowdfunding weiter zu planen und dem Ganzen ein Design zu geben. Wenige Tage vor Redaktionsschluss habe ich mich mit Mathilda Mutant wegen meines Etikettendesigns getroffen.

Es sollte an diesem Abend eigentlich nur um ein kurzes Kennenlernen gehen, doch wir verstanden uns auf Anhieb prima, verquatschten uns total und saßen bis sehr spät kreativ zusammen. Ich freue mich schon riesig auf unsere weiteren Planungen für mein Design. Mal sehen, vielleicht kann ich im nächsten Heft ja schon den ersten Einblick geben…

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