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Zinfandel – kalifornische Rebsorte mit falschem Namen

Zinfandel – kalifornische Rebsorte mit falschem Namen
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Keine Rebsorte scheint kalifornischer als die mit dem merkwürdigen Namen. Zinfandel klingt irgendwie gar nicht amerikanisch, und über seine Herkunft wurde bereits viel gerätselt – aber beliebt ist die Sorte zwischen Napa Valley und Paso Robles dennoch. Engagierte Weingüter produzieren verblüffend langlebige Zinfandels und schaffen es sogar, aus dem White Zinfandel einen angenehm fruchtigen Tropfen zu keltern.

Zinfandel gelangte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in die USA, wurde ab 1850 in Kalifornien populär und verdankt seinen Namen einem Irrtum. Es ist nämlich keineswegs der Zierfandler, eine in Österreich vorkommende weiße Sorte, der identisch oder verwandt wäre mit dem kalifornischen Roten. Irgendwann, irgendwo muss jemand einmal einen falschen Namen notiert haben, vielleicht hat etwa der Packer einen irreführenden Begriff auf die Kiste mit den verschifften Rebsetzlingen geschrieben.

Rätsel gelöst

Erst sehr viel später kam heraus, dass Zinfandel genetisch identisch ist mit dem süditalienischer Primitivo. Beide sind Klone einer Sorte und lassen sich wiederum auf den kroatischen Crljenak zurückführen. Dass der kräftige apulische Primitivo selten gleich schmeckt wie ein kalifornischer Zinfandel, ist mit Boden und Klima, aber auch mit der Entwicklung zu erklären, welche die Zinfandel-Pflanzen in den letzten 200 Jahren genommen haben.

Faible für Würze

Heute ist Zinfandel die am dritthäufigsten angebaute Rebe Kaliforniens, wird aber nicht von jedem Winzer und allen Weintrinkern heiss geliebt. Tatsächlich erreicht die Sorte, wenn sie nicht im Zustand der physiologischen Unreife geerntet werden soll, rasch hohe Mostgewichte und entsprechende Alkoholwerte im fertigen Wein. Wer bei der Vinifizierung nicht höllisch aufpasst, erreicht üppige, backpflaumig und sättigend wirkende Ergebnisse. Mit alten, 100 und noch mehr Jahre zählenden Reben indes, mit Terroirs die in Pazifiknähe oder der brennenden Sonne Kaliforniens abgeneigt liegen, entstehen einzigartig filigrane Rotweine, die über zehn oder 20 Jahre hinweg zu verblüffender Komplexität heranreifen. So wie bei Gary Farrells kühlfruchtigem Zinfandel aus dem Russian River Valley: Mindestens 80 Jahre alte Stöcke ergeben pfeffrige Rote mit ungewohnter Balance.

Experten für Zin

Einen der besten Zinfandels des Landes kauft man aber hoch oben im Anbaugebiet Paso Robles, eine knappe Autostunde vom idyllischen Küstenort Santa Barbara entfernt. Bei Daou Vineyards erntet man von Reben, die auf 700 Metern über dem Meeresspiegel stehen; strenge Selektion ist Pflicht, keine einzige unreife Beere soll mitgekeltert werden. „Wir sortieren 80 Prozent unseres Ertrages aus“, erklärt Daniel Daou. Ähnlich streng sieht das Joel Peterson von Ravenswood, der zu über 80 Prozent Zinfandel ausbaut – darunter den wunderbar nachhaltigen Dickerson Zinfandel, in französischen Barriques gereift. Die Insider-Kellerei Seghesio wiederum besitzt noch Zinfandel-Stöcke, die aus dem Jahr 1895 stammen und deren geringe Erträge in den fast mythischen Home-Ranch-Zinfandel gelangen. Obwohl auch hier 15 und mehr Alkoholprozente erreicht werden, sind die Seghesio-Weine weder vorlaut noch sattmachend, sondern erstaunlich finessenreich. Andere Zinfandels werden spontan vergoren, lassen Alkohol im Laufe einer sehr langen Maischegärung in offenen Behältern entweichen oder dürfen lange in gebrauchten Barriques reifen – was ebenfalls zu einer leichten Reduktion des Alkohols führt. Auch der Verschnitt mit anderen Sorten ist gebräuchlich – wie bei Bucklins Ancient Field Zinfandel. Der stammt aus einem 130 Jahre alten Weinberg, in dem auch kleine Anteile Tempranillo, Syrah und Mourvèdre zu finden sind.

White Zinfandel – warum nicht?

Mit dem „echten“ Zinfandel sollten die weissen nicht verwechselt werden, obwohl sie aus der gleichen Rebsorte stammen. Diese sehr hellfarbigen Rosés besitzen viel Frucht und häufig eine merkbare Süsse, manchmal auch überzeugende Frische. Nicht geeignet für eine lange Lagerung, aber gut gekühlt ein sympathischer Apéritif und im besten Fall ein gelungener Einstieg in die Welt der gar nicht mehr rätselhaften Rebsorte.

Seghesio Family Vineyards, 700 Grove Street, Healdsburg, CA 95448, Tel. +1 707 433-3579, www.seghesio.com
Gary Farrell Vineyards & Winery, 10701 Westside Road, Healdsburg, CA 95448, Tel. +1 707 473-2909, www.garyfarrellwinery.com
Daou Vineyards, 2777 Hidden Mountain Road, Paso Robles, CA 93446, Tel. +1 805 226-5460, www.daouvineyards.com
Ravenswood, 18701 Gehricke Road, Sonoma, CA 95476, Tel. +1 888 669-4679, www.ravenswoodwinery.com
Bucklin – Old Hill Ranch, 8 Old Hill Ranch Road, Glen Ellen, CA 95442, Tel. +1 707 933-1726, www.buckzin.com
Rosenblum Cellars, 2900 Main Street, Alameda, CA 94501, Tel. +1 800 559-8069, www.rosenblumcellars.com

Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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