zurück

Das Sherry ABC – Eine unerwartete Liebe

Das Sherry ABC – Eine unerwartete Liebe
Copyright Besjunior / Bigstock.com

Er ist ein heissblütiger Spanier, ein sanfter Charmeur, ein eleganter Begleiter – und leider einer der verkanntesten Weissweine der Welt. Denn Sherry kann weit mehr, als nur vor oder nach dem Essen Genuss bescheren. In seiner aromatischen Vielfalt ist er unschlagbar – und daher auch ein sehr flexibler Essensbegleiter.

Die Sonne brennt auf die Weinberge, welche die andalusische Stadt Jerez de la Frontera umgeben. Selbst jetzt im Spätherbst scheint sie hier – in der Wiege des Sherrys – eine Sonderstellung zu geniessen, wie man sie selten in Europa findet. Vor wenigen Wochen noch entzog sie den geernteten Pedro Ximénez-Trauben ihre Feuchtigkeit. Aber die Sonne nimmt hier nicht einfach nur.

Ausgewählte Weine aus aller Welt jetzt bei Weinclub.ch kaufen

Sie gibt auch zurück. Denn im Gegenzug verlieh sie den vor sich hin schrumpelnden Weintrauben eine verführerische Süsse und ein unnachahmliches Aromenspektrum. Der kalksteinhaltige Albariza-Boden der Region speichert zudem über lange Perioden hinweg ausreichend Wasser und versorgt die Rebstöcke mit der fehlenden Feuchtigkeit.

Von damals und heute

Pedro Ximénez ist eine der drei zugelassenen weissen Rebsorten, die einer jahrtausendealten Wein-Tradition der Region folgen: Neben der dominanten Palomino-Traube, deren Reben fast 95 Prozent der Anbaufläche der Region bedeckt – und Moscatel, die für süsse Sherry eingesetzt wird, bildet er das tragende Dreigestirn des Sherrys.

Welche Rebsorten für die Herstellung von Sherry zugelassen sind, wurde vom Consejo Regular Mitte des 20. Jahrhunderts festgelegt. Zuvor zerstörte eine grosse Reblaus-Plage einen Grossteil der Weinberge des „Sherry-Dreiecks“ – der Städte Jerez de la Frontera, Puerto de Santa Maria und Sanlùcar de Barrameda, in denen die Reifung stattfinden muss.

Von den ehemals 42 Rebsorten, aus denen Sherry hergestellt wurde, blieben die drei widerstandfähigsten übrig.

Oft verkannt – und doch bekannt

Doch obwohl Sherry weltberühmt ist, ist er eher ein Stiefkind in der grossen Welt des Weins. Man kennt ihn aus den Regalen im Supermarkt, als aromatisierende Beigabe beim Kochen oder als Aperitif vor einem Essen. Verwahrlost oder verstaubt steht bestimmt in den meisten Haushalten eine Flasche des rassigen Spaniers herum – ungekühlt, schon lange geöffnet und still und leise vor sich hin oxidierend. Schade.

Denn Sherry ist nicht nur in seiner Herstellungsweise – dem Solera-Verfahren, bei dem mehrere Reihen Fässer übereinander lagern, durch die der Wein in seiner Reifung von oben nach unten wandert (dazu später mehr) – einmalig. Auch in seiner Bandbreite verschiedenster Charaktere und Intensitätsstufen ist er unschlagbar.

Dem Ahnungslosen entgeht viel

Von hellgelb bis fast schwarz reicht seine Farbpalette. Von staubtrocken bis üppig süss seine Geschmacksvielfalt. Sherry ist dabei nur ein Dachname, der als Zuhause für eine klangvolle Aromenwelt dient, die verführerische Hausnummern wie Fino, Manzanilla und Oloroso trägt. Schnell wird klar: Wer Sherry einfach nur trinkt, ohne seine Herkunft etwas zu verstehen, verpasst vieles.

Die Geburtsstunde eines Sherrys ist kurz umrissen: Sherry ist ein Weisswein, der nach alkoholischer Gärung mit Branntwein aufgesprittet wird. Zwar gilt er vom Gesetz her als Likör, aber faktisch ist das nicht korrekt. Schliesslich ist Likör ein Destillat, das aromatisiert und gesüsst wird.

Die Geschmackswelt des Sherrys entsteht jedoch ohne diese Zusätze. Sie lebt aus einem aufwendigen Reifungsprozess heraus. Und genau das macht Sherry so einzigartig.

Das Solera-Verfahren

Ein Glas Amontilliado Sherry
Ein Glas Amontilliado Sherry

Zunächst werden alle Rebsorten getrennt voneinander zu einem Grundwein vergoren, der dann mit Brandy auf das gewünschte Alkohol-Level aufgesprittet wird. Nun reifen die Weine mindestens drei Jahre im sogenannten Solera-Verfahren.

Dabei lagern Minimum drei, oftmals aber auch mehrere Reihen Holzfässer übereinander. Die unterste, namensgebende Reihe ist die Solera (Lat. solum = Boden). Die darüber liegenden Reihen nennt man Criaderas (Lat. criadera = erziehen).

Der „fertige“ und somit älteste Sherry wird am Ende seiner Reifung der untersten Reihe entnommen. Allerdings entnimmt man dabei immer nur ein Drittel der Fassmenge.

Die identische Menge wird wiederum aus der mittleren Fassreihe entnommen und in der Solera nachgefüllt. Die zweite Reihe wird wiederum mit der entsprechenden Menge aus der dritten Reihe aufgefüllt.

Ein Prinzip, das sich bis zur obersten Reihe fortsetzt. Ihr fehlendes Drittel wird dann allerdings mit dem neuen, gerade erst verstärkten Wein – dem Mosto – ersetzt. Auf diese Weise vermählen sich junge und alte Weine und garantieren letztlich eine gleichbleibende Qualität des Endresultats.

Das Geheimnis der Sherrys

Die Welt des Sherrys könnte man wie einen altgewordenen, stattlichen Baum betrachten. Aus dem tief verwurzelten Stamm entspringen zwei starke Äste: Fino und Oloroso. Aus diesen wiederum entspringen alle Sherry-Sorten und bilden die filigrane Verästelung, die den Baum schlussendlich so wunderschön erscheinen lassen. Doch beginnen wir mit der Basis des Sherry-Baums:

Fino:

Der bekannteste Vertreter des Finos ist wohl Tío Pepe aus der Bodega Gonzalez-Byass. Betritt man irgendwo auf dieser Welt eine Bar – dieser stets sich treu gebliebene Klassiker ist garantiert schon da. Mit seiner zugleich salzigen, frischen und kompromisslos trockenen Art passt er sich vielen Situationen an.

Der Grundwein des Finos wird mit Alkohol auf 15 Prozent Alkoholvolumen angehoben und reift mindestens drei Jahre in der Solera. Durch den verhältnismässig geringen Alkohol entwickelt sich der Flor.

Diese Hefeschicht dient als natürlicher Schutzfilter, die den Kontakt mit Sauerstoff verhindert und vor Oxidation bewahrt. Die Farbpalette des Finos reicht von hellgelb bis strohgelb. Seine Aromatik ist leicht, sehr trocken, mit einer eleganten Hefenote.

Hier sei noch der Manzanilla erwähnt. Ein Fino, der ausschliesslich in der Sanlùcar de Barrameda reifen darf. Dank der direkten Nähe zum Atlantik und dem damit verbundenen hohen Salzgehalt in der Luft sind diese Finos frisch und mineralisch.

Oloroso:

Der entscheidende Unterschied zum Fino liegt auf den ersten Blick im Alkoholvolumen: Olorosos werden als Jungweine auf 17 Prozent aufgesprittet. Durch diesen höheren Alkoholgehalt sterben die Florhefen ab und bilden keine Hefeschicht aus.

Der Oloroso ist also dem Austausch mit Sauerstoff ausgesetzt und wird daher „oxidativ“ ausgebaut. Er schmeckt nicht nur kräftiger als ein Fino, er lebt auch in einer ganz anderen Farbwelt. Diese reicht von leuchtendem Bernstein in jungen Jahren bis hin zu öligem Mahagoni in reiferen Jahrgängen.

Auch seine runde und komplexe Aromenwelt ist eine andere: Er ist würziger, nussiger, mit ausgeprägten Anklängen getrockneter Früchte, allen voran Aprikosen und Orangen.

Amontillado:

Er ist ein spannender Charakter, denn sein Leben beginnt als Fino und endet als Oloroso. Wie das geht? Er beginnt seinen Reifeprozess als 15-prozentiger Fino und entwickelt sich zunächst unter dem schützenden Flor. Dann allerdings wird er um mindestens zwei weitere Alkoholvolumenprozent aufgesprittet. Die Florhefen sterben somit ab und der Wein wird in seiner zweiten Reifung der Oxidation ausgesetzt.

Durch diesen Prozess erlangt der Amontillado ein einzigartiges Aromenspektrum: Der Oxidation verdankt er seine Komplexität und Nuancen von Mandeln, Kräutern sowie eine leichte Pfeffrigkeit. Die Vermählung mit dem Flor geht jedoch nie verloren und hinterlässt eine filigrane Eleganz.

Palo Cortado:

Er ist ein Zufallsprodukt und damit eine Rarität: Denn es gibt ihn nur, wenn sich im Ausbau eines Finos – durch den Ausfall des Flors – oxidative Noten im Sherry entwickeln und er sich in die Richtung eines Oloroso begiebt.

Er behält jedoch seine prägnante Trockenheit, die seiner Fino-Seele entspringt. Einordnen lässt er sich am besten zwischen einem Amontillado und einem Oloroso – mit seinem Facettenreichtum ist er jedoch eine Klasse für sich!

Pedro Ximénez und Moscatel:

Die wirklich süssen Seiten des Sherrys präsentieren die rar ausgebauten Rebsorten Pedro Ximénez (etwa 3% der Rebfläche) und Moscatel (etwa 2% der Rebfläche). Die Trauben dieser Rebsorten werden nach der Ernte im Freien von der Sonne getrocknet, bis sie fast zu tiefdunklen Rosinen geschrumpelt sind. Ihr Zuckergehalt ist nach diesem intensiven Sonnenbad jedoch äusserst hoch.

Häufig werden diese für Weisswein ungewöhnlich dunklen Weine zum Vermählen und Süssen von Olorosos und Amontillados – dem sogenannten Cream-Sherry – verwendet.

Manche Bodegas bauen sie – vermehrter Pedro Ximénez als Moscatel – aber auch reinsortig aus. Diese Weine sind ein fast göttliches Erlebnis, das an Nektar erinnert und von kräftigen Aromen von Rosinen, Datteln, Honig und gerösteten Kaffeebohnen zeugt.

Sherry liebt Essen – Essen liebt Sherry

Nun wird klar, warum Sherry nicht gleich Sherry ist – und warum Sie durchaus ein ganzes Menü mit ihren Aromen begleiten können. Zur Gazpacho ein Fino, ein Amontillado wenn grillierter Fisch, Spargel oder gar Artischocke auf dem Teller liegen.

Gereifte Olorosos nehmen es sogar mit Hausmannskost à la Roulade auf – am besten, wenn man der Sauce auch einen aromatisierenden Schluck hinzufügt.

Palo Cortados sind vielseitig und lieben die Exotik. Sei es in asiatischen Entengerichten, zu karamellisiertem Schweinebauch oder auch im Dessertbereich. Da punkten allerdings auch die süssen Kaliber Pedro Ximénez, Moscatel oder Cream. Tja, wer die Wahl hat… hat immer den richtigen Sherry!

0 0

Über die Autorin

Es gibt sie ganz selten. Doch Anja Hanke hat das grosse Glück zu ihnen zu gehören: Den Menschen, die ihr Hobby zum Beruf machen konnten.

Sie liebt gutes Essen, handgefertigte Weine, erlesene Produkte und diese Verbindung an den verschiedensten Orten dieser Welt einzufangen – und für ihre Leser genussvoll aufzubereiten.

Kommentare

Sicherheitscode eingeben:

Nach oben

Jetzt Facebook-Fan werden und keine Story verpassen

Jetzt Facebook-Fan werden

Jetzt den Wein.com
Newsletter abonnieren

Immer auf dem aktuellen Stand - das Wein.com Mailing kostenlos abonnieren.

Datenschutz wird bei uns gross geschrieben - wir geben Ihre Daten niemals weiter. Der Newsletter kann jederzeit gekündigt werden.