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Aus der Mode, in die Mode – die Rückkehr des Chablis

Aus der Mode, in die Mode – die Rückkehr des Chablis
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Chablis galt in den 1980er-Jahren als Modewein par excellence, war der angesagte Begleiter von Austern und Fischgerichten. Und geriet in den Neunzigern allmählich wieder aus der Mode. Spätestens nach dem Jahrtausendwechsel wollten die Gäste lieber Prosecco trinken oder waren längst auf Pinot grigio umgestiegen. Sie hinterließen ratlose französische Winzer, die nicht wussten, wie ihnen geschah. Inzwischen scheint sich aber das gute Preis-Leistungs-Verhältnis der Nordburgunder erneut auszuzahlen – und die gesunde Skepsis, die man hier dem Ausbau im Holzfass entgegenbringt.

Auf die Idee, seinen eigenen Wein abzuwerten, muss man erst mal kommen. Tatsächlich nennt sich eine der Appellationen in diesem nördlichen Teil der Bourgogne Petit Chablis, kleiner Chablis. Für manchen Käufer mag dies tatsächlich ein Kauf-Hinderungsgrund sein, doch in Wirklichkeit sind viele Petits Chablis zwar besonders zugängliche Vertreter der Gattung Weißwein – eher nicht für lange Lagerung und intensives Nachdenken gemacht, aber durchaus attraktiv und mitnichten klein. Das Lagern und Nachdenken ist vor allem bei den Grands Crus angebracht, den Stars der Region. Grenouilles heißen die großen Lagen, Les Clos, Blanchot oder Les Preuses. Begriffe, die allerdings auch vielen Weinkennern nicht von selbst über die Lippen kommen, die nur echten Liebhabern geläufig sind.

Kimmeridge und kühle Nächte

Bevor der Chablis in Mode kam, vor etwa 40 Jahren, war er schon einmal fast abgeschrieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg machte sich das Klima in diesem vergleichsweise nördlichen Teil Frankreichs besonders unangenehm bemerkbar. Die Fünfziger und die Sechziger des vergangenen Jahrhunderts brachten viele schlechte Jahre mit Spät- und Frühfrösten.

Fast wäre es der Region so gegangen wie anderen einst bedeutenden Weinbaugegenden zwischen Champagne und Elsass, die auch der klimatischen Bedingungen wegen bis auf kümmerliche Reste zusammenschmolzen. Gut, dass es nicht so gekommen ist. Der Klimawandel sorgt inzwischen für Entspannung im Frühjahr, und die nördliche Lage erweist sich, verbunden mit dem speziellen Boden, als unschätzbarer Vorteil. Kimmeridge-Kalk, benannt nach einem englischen Dorf, sorgt für grandiose Mineralität, im besten Falle für den berühmten Feuersteinton.

Stahl oder Holz – eine Gewissensfrage

Wenn Chablis-Liebhaber heute den schlanken Stil der Weine rühmen und den Ausbau im Stahltank als einzig sinnvolle und traditionelle Methode der Vinifikation betrachten, greifen sie freilich zu kurz. Tatsächlich sind die modernen Behältnisse eine Erfindung der allerneuesten Zeit, in den Jahrhunderten zuvor war der Ausbau in Fässern, vor allem in den kleinen Feuillettes selbstverständlich.

Inzwischen werden Holz und Stahl gern kombiniert – immer mit dem Ziel, den besonderen Charakter der Weine nicht zu überdecken. Frische, Finesse, mineralische Würze und deutliche Säure sind bei fast allen Weinen zu spüren, die Fülle der Côte d’Or ist weit weg, und mit kalifornischen oder australischen Chardonnays haben die hier erzeugten Weine erst recht wenig gemein – trotz der identischen Traubensorte.

Die Genossenschaft La Chablisienne mag auch einfachere, vom Mainstream beeinflusste Weine herstellen, hat aber in der Spitze einige spannende Premiers und Grands Crus zu bieten, kombiniert beispielsweise beim Grand Cru Château Grenouilles Eiche geschickt mit Stahl. Die Gärung findet nur zu einem Teil im Fass statt, und die durch Bâtonnage, das Aufrühren der Hefe, erreichte Fülle lässt sich gut mit dem schlanken Grund-Charakter in Einklang bringen.

Jean Durup dagegen, eine der Winzerlegenden der Gegend, denkt nicht daran, den Weinen auch nur eine Spur von Holznoten anzuzüchten – er verlässt sich auch im Top-Segment auf Stahl und spricht ausdrücklich vom Ausbau nach heimischer Tradition. Bei William Fèvre dagegen hat niemand Probleme damit, die Spitzen auch mal zu 100 Prozent im Barrique auszubauen – was zum Glück auch im Grand-Cru-Bereich nicht zu dominierenden Holznoten führt. Bei ausgesprochenen Spezialisten der Barriquereifung, zu denen im Cru-Bereich auch Gilles Collet von der Domaine Collet zählt, muss man im Zweifelsfall halt ein bisschen warten, bevor man die Flasche öffnet. Spätestens nach ein paar Jahren lassen sich unter den cremig-würzigen Aromen, die von Ausbau in 228-Liter-Fässern herrühren, auch die legendären Feuersteinnoten des hiesigen Terroirs wahrnehmen. Und was die Petits Chablis angeht: Die überraschen manchmal, weil die Böden nicht die „richtige“ Zusammensetzung für eine höhere Einstufung haben, mit erstaunlicher Klasse zu niedrigen Preisen; Holzaromen muss hier erst recht niemand befürchten.

La Chablisienne, www.chablisienne.com
Jean Durup Père et Fils, www.durup-chablis.com
William Fèvre, www.williamfevre.fr
Domaine Collet, www.domaine-collet.fr
Domaine Laroche, www.larochewines.com
Domaine Long-Depaquit, Albert Bichot, www.bourgogne-bichot.com

Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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Rick Smith

Einer meiner Lieblingsweise - überall auf der Welt gerne genossen ;-)

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